Eine gute BI Lösung ist wie ein feiner Maßanzug: Gutes Material, handwerkliches Können, Erfahrung und Individualität sind wesentliche Zutaten des Erfolgsrezepts.
Stellen Sie sich vor, sie möchten einen Maßanzug für sich anfertigen lassen. Sie haben sich nach gründlicher Überlegung zu diesem Vorhaben entschlossen, etwas Geld beiseitegelegt, ein angenehmes Gespräch mit dem Schneider geführt, den Stoff ausgesucht und den Schnitt ausgewählt. Heute soll es los gehen.
Würden Sie jetzt nicht auch erwarten, dass der Schneider Maß nimmt, den Termin für eine baldige Anprobe vereinbart und Sie dann mit freundlichen Worten verabschiedet?
Was würden Sie denken, wenn er stattdessen eine Reihe von Fragen stellen und das Vorgehen erörtern würde, etwa:
- Sollen wir mal mit einem Ärmel anfangen und dann sehen, ob Sie noch mehr Ärmel haben möchten?
- Welches Bein ist für Sie wichtiger – das rechte oder das linke?
- Von nun an werden wir täglich miteinander telefonieren, damit wir Ihnen mitteilen können, woran wir gerade arbeiten.
- Jede Woche Montag kommen Sie zu uns, wir zeigen Ihnen, was wir bis dahin genäht haben und Sie müssen dann bewerten, ob die Sache mit dem Anzug in die richtige Richtung läuft.
- Bei diesem Termin gehen wir dann auch die neueste Liste Ihrer Änderungswünsche durch und stimmen uns ab, welche davon wir zuerst umsetzen.
Sie merken, worauf ich hinaus möchte:
Niemand käme auf die Idee, dass hier ein agiles Vorgehen angebracht wäre. Vielmehr erwarten wir, dass der Schneidermeister einen klaren Plan hat und dementsprechend selbständig arbeitet, bis das gute Stück bereit ist für die Anprobe.
Genauso wenig halte ich es für eine gute Idee, den Kern einer neuen BI Lösung agil zu entwickeln. Agiles Vorgehen ist fantastisch um neuartige Lösungen zu entwickeln, indem ein engagiertes Team von Fachanwendern und Entwicklern klein anfängt, ausprobiert, anpasst, korrigiert und so in kürzester Zeit eine Anwendung auf die Beine stellt, von der niemand vorher genau wusste, wie sie aussehen sollte. Das funktioniert gut (vorausgesetzt, die Rollenverteilung ist klar und die einmal gewählte Methode wird klar und konsequent angewendet), ist aber vergleichsweise aufwendig, weil die Beteiligten umfassendes Wissen mitbringen und viel miteinander kommunizieren müssen.
Dieser hohe Aufwand ist für das Erstellen einer BI Lösung aber gar nicht angemessen, denn hier gibt es ja einen über Jahrzehnte aufgebauten Erfahrungsschatz und erprobte Vorlagen für die Architektur, die Umsetzung und den Betrieb.
Ebenso wie bei einem Maßanzug muss die Lösung natürlich genau zum Unternehmen, zu den Anforderungen der Fachanwender und zum Budget passen. Daher ist es essenziell wichtig, die Anforderungen und Randbedingungen genau zu verstehen, gut verständlich zu dokumentieren (ja, wirklich!) und den Plan mit Zeichnungen zu ergänzen (unbedingt!). Aber sobald in einer initialen Phase Umfang, Architektur und Tools ausgewählt sind, können erfahrene BI Entwickler die Lösung konzentriert und effizient in Eigenregie erstellen, indem sie ihrem Plan ganz methodisch folgen, zum Beispiel indem sie die Kimball Methode anwenden.
Wenn danach der Kern der Lösung erst einmal aufgebaut ist, dann kann es gut sein, dass ein Wechsel der Methodik angeraten ist. Dann haben die Anwender eine kleine, aber problemlos erweiterbare Lösung, die ihnen bereits bei der täglichen Arbeit hilft und zu der sich dann ganz natürlich Erweiterungswünsche und Verbesserungsvorschläge ergeben. Ist dieser Zustand einmal erreicht, dann ist es in den meisten Fällen auch eine sehr gute Idee, die Vorgehensweise von „geplant“ auf „agil“ umzustellen.
Um bei dem Beispiel mit dem Anzug zu bleiben: Sobald der Kunde mit einer ordentlichen Garderobe ausgestattet ist, kann sie durch das Hinzufügen weniger Accessoires für unterschiedliche Anlässe aufgepeppt und angepasst werden. Das ist dann kein großer Aufwand mehr und schnell erledigt.
Um diesen Schritt erfolgreich vollziehen zu können, müssen die BI Entwickler allerdings in der Aufbauphase schon etwas Wesentliches vorbereitet haben: Das Automatisieren des Build- und Deployment-Prozesses. Damit ist gemeint, dass jede Änderung der BI Lösung ganz automatisch zunächst in einer geschützten Umgebung daraufhin getestet wird, ob sie fehlerfrei funktioniert, dann „auf Knopfdruck“ den Anwendern für einen Akzeptanztest zur Verfügung gestellt wird und nach Freigabe ebenfalls „auf Knopfdruck“ in die Produktion überführt wird. Dann (und nur dann) lassen sich zwei Ziele leicht umsetzen:
- Leichtigkeit und Geschwindigkeit bei der Umsetzung neuer Anforderungen
- Das schnelle Beheben von Fehlern
Dieser „DevOps“ Ansatz ist bei Web-Anwendungen bereits seit Jahren Standard und nicht mehr wegzudenken. Bei BI Lösungen sind wir hier noch nicht so weit, auch wenn die Tools und die Infrastruktur inzwischen bereitstehen. Aber BI Lösungen mit ihren großen Datenmengen und den speziellen Herausforderungen, wenn Änderungen auf bereits bestehende Datenbanken angewendet werden sollen, stellen hier zusätzliche Anforderungen. Dazu demnächst mehr in einem eigenen Artikel.